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ORNAMENTA Kolumne Oktober 2021

Ausfahrt Pforzheim: Guten Morgen

“Schlafen wie ich es liebe” prangt in großen Lettern auf den Kopfenden der Ausstellerbetten, in denen Federkern- und Kaltschaummatratzen auf ihre entspannungssuchenden Käufer warten.  Ausgerechnet hier versammelt sich die Ornamenta-Gemeinschaft, um in einem Speed-Dating Format Perspektiven zu Situation und Möglichkeiten des Einzelhandels kennenzulernen und zu diskutieren. Ein Ort, der zunächst wohl wie kein anderer für Negativvergleiche herhalten könnte. Vom teilweise existenzbedrohendem Dornröschenschlaf, in den der Handel pandemiebedingt geschickt wurde, über den für den ein oder anderen Albtraum sorgenden Onlinehandel bis zur schläfrigen Trägheit, die diesem Wirtschaftszweig teilweise attestiert wird. Doch schnell zeigt sich: Hier ist nicht der Ort für Untergangs-Apologeten,  sondern für eine vielschichtige Analyse von neuen Möglichkeiten, die sich für den Handel im Wandel eröffnen. Denn während E-Commerce, Zeitgeist und Pandemie den Handel eines Teil seines Selbstverständnisses beraubt haben, so wurde durch diese Entwicklung auch der Kern der Kulturhandlung Einkaufen wieder freigelegt: Nämlich nicht den effizientesten Austausch von Waren und Dienstleistungen zu bieten, sondern ein soziokulturelles Erlebnis zu sein, dass Architektur, Mode, Kunst und Wirtschaft verbindet. Vom Ein-Euro Shop bis zur Luxusboutique, vom grauen Zweckbau bis zur Jugenstilfassade, vom Shopping-Aficionado bis zum Misanthropen: Nirgendwo kommt soviel zusammen, nirgendwo kommen soviele zusammen wie auf der Bühne einer Einkaufsmeile. Das durften wir in unserem einwöchigem Aufenthalt vor Ort – bei unseren Gastgebern Müssle Vinothek und Mode Lenz – aus nächster Nähe sehen und so mehr über die Beziehung Pforzheims zu seiner Einkaufsstraße lernen.

Ebenso vielfältig wie die Gesichter des lokalen Einzelhandels waren dann auch die Perspektiven, die uns schließlich im Bettenpavillon erwarteten. Von launigen Erinnerungen über die Darstellung aktueller Initiativen sowie den Stand zukunftsweisender internationaler Kultur- und Forschungsprojekte: Auch wenn sich der Himmel während der Diskussionen allmählich verdunkelte, zeigte sich der Bettenpavillon im Lichte der Kopftaschenlampen der Vortragenden nicht als Ort, an dem man dem lokalen Einzelhandel Gute Nacht sagen möchte. Sondern Guten Morgen.

 

Deutsche Übersetzung: Moritz Jähde

Foto: Ornamenta Oktober 2021 try out event “Guten Morgen / Dream on”, Karolina Sobel

ORNAMENTA column October 2021

Ausfahrt Pforzheim: Dream on

As shopping shifts online and the pandemic transforms our perception of social contact, retail is facing its own reckoning. The arsenal of commercial techniques that retail has developed can no longer function as usual. As intense lovers of retail, we are eager to regenerate the high streets for Ornamenta 2024. With local gin for breakfast and a daily commute between Mode Lenk and Müssle Vinothek, our hosts for the week, staying over with the Einzelhändler became a matchmaking testing ground.

Stadtmuseum Pforzheim was in the midst of installing a new exhibition on consumer culture. Rediscovering footage of the Kaufhof building entirely decorated in flowers made us yearn for the hay days of the high street. It became clear to us that these entangled worlds of architecture, fashion, business and art make up for a big part of our common good – a collective institute of transmissible culture. Nothing is more telling than viewing people during their shopping spree.

But Der Handel is im Wandel. There was no time to doze off at this week’s Friday gathering. Before Galeria Kaufhof’s Bettenpavilion turned off its lights, the Ornamenta community gathered for a speed dating session with retail from the past and future. Dr. Adam Jasper from the design and architecture university ETH in Zürich presented thoughts on what we might rescue from the global bonfire of retail. Also in attendance at the evening was art historian Liesbeth den Besten who presented the work of jewelry designer Ted Noten, both veterans of Ornamenta 1989. Pforzheimer Stefanie Wetzke demonstrated the Alter Schlachthof initiative where designers and artists plan to live, make and sell under one roof. The list continues with advertising expert Moritz Jähde on hacking Amazon, art historian Claudia Baumbusch on the upcoming exhibition Konsumtempel and Horst Lenk, retired president of the Baden Württemberg retail association taking visitors to a dreamy past. 

At the same time, retail’s techniques of attraction and distraction have become visible in a new way. Stripped of their use-value, they reveal themselves as techniques of pure display. This evening marks the beginning of a collective quest to save the Titanic from sinking. How can shops in the Nordschwarzwald region benefit more from a unique regional narrative in a post-pandemic Europe?

 

 

Photo: Ornamenta October 2021 try out event “Guten Morgen / Dream on”, Karolina Sobel